Dich, teure Halle, grüß' ich wieder...

Die Bayerische Staatsoper feiert endlich Wiedereröffung

Die Walküre, 1. Akt konzertant, in einer Ausnahmebesetzung!

      Von Hannah Klug / Wunderbare Welt der Oper

                       14. Mai 2021

(C) Wilfried Hösl / Bayerische Staatsoper


"Welch Glück, wenn wir uns wieder seh`n", stand auf den Begrüßungsherzen, die für jeden Besucher des Münchner Nationaltheaters am Tage der Wiedereröffnung bereit lagen. Das war nur ein kleines Detail, mit dem die Bayerische Staatsoper liebevoll den Abend gestaltet hatte. Perfekt durchorganisiert waren die Abläufe, und man spürte bei allen Mitarbeitern im Haus, wie sehr alle mit den Herzen dabei waren und wie sehr jeder diesen Moment herbeigesehnt hatte. Ein eigens organisiertes Testzentrum stand den Besuchern der Vorstellung am Marstallplatz kostenlos zur Verfügung, und das wird auch für alle folgenden Aufführungen so bleiben. Etwa ein Drittel der möglichen Zuschauerkapazität war zugelassen. So waren an diesem Abend ungefähr 700 überglückliche Ticketbesitzer im Saal anwesend, die gleich zu Beginn das gerade mit einem Opera Award frisch gekürte Bayerische Staatsorchester mit großem Jubel und stehenden Ovationen begrüßte. Ein emotionaler Augenblick für alle Anwesenden, auf der Bühne und im Auditorium.

Bevor das Orchester unter der Leitung des israelischen Dirigenten Asher Fisch, die ersten Takte spielte, gab es noch eine kleine Ansprache des scheidenden Generalintendanten Nikolaus Bachler, dem man ansah, wie bewegt er in diesem Augenblick war. Er bezeichnete den Abend als einen fast historischen Moment und betonte, dass gerade die "Walküre" so sehr mit diesem Haus verbunden sei. Diese Musik sei fest in der DNA des Orchesters verankert, und eine bessere Besetzung dieser konzertanten Aufführung könne man derzeit wohl nicht finden.


(C) Wilfried Hösl / Bayerische Staatsoper


Und dann war es soweit, die ersten Töne erfüllten das Nationaltheater, die Stimmen im Zuschauerraum verstummten, und endlich waren sie wieder zu spüren - der Zauber der Oper und die Magie des Augenblicks. All dies wieder zu empfinden, Musik live zu erleben und wahrhaftig diese unglaubliche Energie zu fühlen, die sich breit macht, wenn man nicht nur am Computerbildschirm, sondern tatsächlich in einem Theater, Opern- oder Konzerthaus sitzt. Ich bin wahrlich keine ausgewiesene Wagner-Expertin, aber die Kunst der Oper ist meine Leidenschaft und Liebe. Wenn man ein Orchester wie das der Bayerischen Staatsoper hat, das so tief mit Wagners Musik verbunden ist, kann ohnehin nichts schiefgehen. So gibt es nur eines, was man zu tun hat: sich einfach mitnehmen zu lassen in eine wunderbare Welt voller bezaubernder Klänge und strahlender Farben. Asher Fisch, der am Tage der Wiedereröffnung die musikalische Leitung hatte, führte sein Orchester sicher durch die Partitur, wobei er eine ständige Verbindung zu den drei Sängern hatte und dafür sorgte, das ihre Stimmenzu zu keiner Zeit vom Klang des Orchesters überdeckt wurden. Die Kraft und die Energie von Wagners Werk, das hier in München am 26. Juni 1870 uraufgeführt wurde, ist gewaltig, und kaum ein Mensch kann sich dem entziehen.


(C) Wilfried Hösl / Bayerische Staatsoper


Die Besetzung dieser Wiedereröffnung war wirklich purer Luxus. Drei der besten Sänger ihres Fachs standen auf der Bühne des Münchner Nationaltheaters. Publikumsliebling, Weltstar und Münchner Kindl Jonas Kaufmann in der Partie des Siegmund. Der neue strahlende Stern am Opernhimmel, die junge norwegische Sopranistin Lise Davidsen, in der Rolle der Sieglinde. Für die Partie des Hunding hätte man sich niemand Besseren vorstellen können als den deutschen Bass Georg Zeppenfeld. Es war ein wahres Glück, ihn vor kurzem als Gurnemanz in der Parsifal-Neuproduktion an der Wiener Staatsoper zu erleben, wenn auch nur im Stream. Der warme volle Bass ist ausgeprochen angenehm zu hören, die Stimmführung kraftvoll und ausdrucksstark und die Diktion nahezu perfekt. Und auch wenn selbst eine halbszenische Darstellung nicht möglich war, unterstrich der Opernsänger durch Gestik und Mimik den dunklen Charakter seiner Figur. Eine große Stimme, gepaart mit einer starken Bühnenpräsenz. Musikgenuss auf höchstem Niveau.


(C) Wilfried Hösl / Bayerische Staatsoper


Lise Davidsen als Sieglinde ist unbestreitbar beeindruckend und eine Naturgewalt.

Mit ihrem Sopran füllte sie mühelos von der ersten Sekunde ihres Auftritts den gesamten Raum des Münchner Nationaltheaters. Die norwegische Opernsängerin wird jetzt schon als Jahrhundertstimme bezeichnet und hat ohne Zweifel eine große Karriere vor sich. Mühelos nahm sie jede Höhe und konnte sowohl bei den kraftvollen Ausbrüchen im Forte überzeugen als auch bei den zarten Phrasen im Piano. Ihre Textverständlichkeit ist, obwohl keine Muttersprachlerin, ausgeprochen gut. Die 34-jährige Ausnahmesängerin ist zudem eine engagierte, temperamentvolle und überzeugende Darstellerin, auch wenn sie ihre schauspielerischen Fähigkeiten hier nicht ausspielen konnte. Dennoch wusste sie die Wandlung Sieglindes mit zarter, aber ausdrucksstarker Mimik und Gestik dem Publikum zu vermitteln; erst noch schüchtern und zurückhaltend, und dann am Schluss mit einem Ausbruch der Leidenschaft, in dem Moment, als sie wieder vereint mit ihrem Bruder und Bräutigam Siegmund war. Wie unglaublich zart und innig Lise Davidsen zu singen vermag, zeigte sich auch bei der Darbietung ihrer Zugabe nach der Beendigung des offiziellen Teils. .


(C) Wilfried Hösl / Bayerische Staatsoper


Der Siegmund des Abends, Jonas Kaufmann, war sicher mit dafür verantwortlich, dass die erste Vorstellung nach fast 7 Monaten, restlos ausverkauft war. Für den 51-jährigen Münchner Opernsänger dürfte diese Wiedereröffnung und der erste Auftritt vor Publikum seit vielen Monaten, zudem noch in seiner Heimatstadt und in seinem "Opern-Mutterschiff", etwas ganz Besonderes gewesen sein. So war eine gewisse Anspannung zu spüren, die dem musikalischen Genuss jedoch keinen Abbruch tat. Im Gegenteil. Das Geschenk, endlich wieder vor einem Live-Publikum singen zu dürfen, war in jedem Augenblick zu spüren. Wie schon mehrfach in anderen Beiträgen erwähnt, klingt die Stimme des Ausnahmesängers ausgeruht, kraftvoll und energiegeladen. Dennoch sang Jonas Kaufmann diese Wagnerpartie auch jetzt wieder so, wie es Wagner auch in seiner Partitur notiert hat, mit all den vorgegebenen Piano-Stellen, zerbrechlich und zart. Sein Siegmund ist kein strahlender Held, sondern ein Mensch mit tiefen Gefühlen, der Schlimmes erlebt hat und für sein Glück und seine Liebe kämpfen muss. Die Wälserufe, die sicher zum Höhepunkt im ersten Akt gehören, waren genauso wie man sie sich wünscht - stählern, kraftvoll, strahlend und wunderbar ausgedehnt. Der Weltstar und Publikumsliebling zeigte auch am 13. Mai erneut, dass er immer noch unumstritten zur absoluten Weltspitze der Oper gehört. Die perfekte Aussprache braucht fast nicht mehr erwähnt zu werden. Bedauerlicherweise blieb es auch dem Münchner Opernsänger verwehrt, seine großen darstellerischen Fähigkeiten auszuspielen. So nutzte auch er für die Interpretation seiner Figur seine ausdrucksstarke Gestik und Mimik, schien sich aber wie auch Lise Davidsen immer wieder selbst bremsen zu müssen, um nicht loszustürmen.


(C) Wilfried Hösl / Bayerische Staatsoper


Kurz nachdem der letzte Ton verklungen war, brachen sich die Begeisterung und die unendliche Freude des Publikums Bahn; ein nicht enden wollender Beifall brauste auf und belohnte Sänger und Musiker für ihre wundervolle Leistung nach der langen Zeit erzwungener Abstinenz von Live-Musik. Immer wieder wurden die Künstler von ihren glücklichen und dankbaren Zuschauern vor den Vorhang gerufen. Großes Glück und große Dankbarkeit waren auch den Solisten, dem Orchester und ihrem Dirigenten anzumerken. Endlich wiedervereint nach so langer Zeit. Und als Ausdruck der Freude gab es am Schluss noch drei Zugaben für das überraschte Publikum:

Jonas Kaufmann blieb bei Wagner und sang aus den Wesendonck-Liedern "Träume" - wunderbar zart und verklärt. Lise Davidsen hatte ein Lied aus ihrer norwegischen Heimat von Edvard Grieg mitgebracht ("Varen" / Last Spring, Op 33, No. 2). Georg Zeppenfeld sang als Dritter aus Richard Strauss' "Die schweigsame Frau" den Schlussmonolog des Sir Morosus "Wie schön ist doch die Musik". Den Text hatte er dabei leicht abgewandelt in "Wie schön ist doch die Musik - in diesen Zeiten". Ein perfekter Abschluss für einen unvergesslichen und fast historischen Abend. Bevor endgültig Schluss war, wurden die drei wunderbaren Sänger und ihr Dirigent aber noch einige Male auf die Bühne gebeten, um sich ihren verdienten Applaus abzuholen, den sie dankbar und glücklich entgegennahmen. Die Zuschauer verließen beseelt das Opernhaus in dem Wissen, etwas ganz Besonderes erlebt zu haben.


(C) Wilfried Hösl / Bayerische Staatsoper


Den Livestream an Himmelfahrt haben überigens unglaubliche 40.000 Zuschauer zu Hause an den Bildschirmen und in aller Welt miterlebt! Die Aufzeichnung der Walküre, 1. Akt konzertant, ist nun auf der Seite der Bayerischen Staatsoper bis zum 15. Juni diesen Jahres anzuschauen. Ein Ticket für 24 Stunden kostet 9,90 Euro. Im Video unter diesem Text gibt es einen kleinen Vorgeschmack auf diesen Stream. Für die Zuschauer, die im Haus mit dabei sein durften, ist das eine - wenn auch zeitlich befristete - wunderbare Erinnerung; für alle anderen die Möglichkeit, in den Genuss dieser hochkarätig besetzten Vorstellung zu kommen. Ich kann diese Aufzeichnung nur allen wärmstens ans Herz legen.

Für alle, die wie ich noch nicht genug haben, gibt es am Sonntag die Gelegenheit, in einer zweiten Vorstellung mit Jonas Kaufmann, Lise Davidsen, Georg Zeppenfeld und dem Bayerischen Staatsorchester unter der Leitung von Asher Fisch, diesen großartigen Musikgenuss erneut zu erleben. Restkarten gibt es möglicherweise noch kurzfristig auf der Website der Bayerischen Staatsoper, sowie der Kartenbörse des Opernhauses. Ich wünsche viel Glück beim Kartenkauf und einen wunderbaren Abend im Nationaltheater.


(C) Link Youtube Kanal / Jonas Kaufmann


Für mich geht es nun am Donnerstag weiter in mein geliebtes Wien, das ich zugegebenermaßen sehr vermisst habe. Endlich wieder unterwegs sein, meine österreichischen Freunde wiedersehen und noch mehr Musik, Kunst und Kultur erleben. So gibt es gleich am Ankunftstag in Wien ein Wiedersehen mit Jonas Kaufmann, der im Konzerthaus einen Liederabend zusammen mit seinem langjährigen Wegbegleiter und kongenialen Partner Helmut Deutsch geben wird. Auf dem Programm stehen Lieder von Franz Schubert, Robert Schumann und Franz Liszt. Am 24. Mai melde ich mich dann von den Pfingstfestspielen in Salzburg und der sensationell besetzten konzertanten Tosca. Alles andere wird sich ergeben. Ein Besuch in der Wiener Staatsoper wäre natürlich wunderbar.

In München steht im Nationaltheater nächste Woche Sonntag (23.5.) eine ebenso hochkarätig besetzte Premiere an, wenn alles so bleibt, wieder vor einem Live-Publikum. Gemeint ist die Neuproduktion "Lear" von Aribert Reimann mit Christian Gerhaher in der Titelpartie und der deutschen Sopranistin Hanna Elisabeth Müller in der Rolle seiner Tochter Cordelia. Diese Neuinszenierung ist im Übrigen am 30. Mai ebenfalls als Livestream der Bayerischen Staatsoper zu erleben. Des Weiteren kommen noch das Ballett "Paradigma" und die preisgekrönte Operette "Schön ist die Welt" im Mai zur Aufführung.

Außerdem werden zeitnah die Proben zu "Tristan und Isolde" am Nationaltheater beginnen. Die geplante Premiere ist der 29. Juni und wird die erste im Rahmen der Münchner Opernfestspiele sein. Unter welchen Bedingungen die Opernfestspiele stattfinden können und wie viele Karten vergeben werden, klärt sich hoffentlich Ende des Monats.


(C) Wilfried Hösl / Bayerische Staatsoper


            Musik macht das Herz weich.

               Ganz still und ohne Gewalt

           macht sie die Tür zur Seele auf.

 

                           (Sophie Scholl)