Ausdrucksstarke Stimmen und zwei erfolgreiche Rollendebüts!

"Un ballo in maschera" an der Bayerischen Staatsoper

   Von Hannah Klug / Wunderbare Welt der Oper

                14. November 2022


(C) Wilfried Hösl / Bayerische Staatsoper


          Einführende Worte zum Abend

 Es war die insgesamt 3. Vorstellung von "Un ballo in maschera" in Folge, die ich am 12. November auf der Bühne des Münchner Nationaltheaters zu sehen bekam und die 6. Aufführung insgesamt. Eine letzte Vorstellung ist am Dienstag, 15. November zu erleben, und es gibt dafür auch noch einige Karten zu kaufen. Die Besetzung ist auch diesmal hochkarätig und schon aufgrund zweier Debütanten erwähnenswert: das ist zum einen Charles Castronovo als Riccardo und zum anderen Mirjam Mesak in der Partie des Oscar. Beide Sänger haben ihre Feuertaufe bestens bestanden und konnten bereits in der Wiederaufnahme am 6. November auf ganzer Linie Überzeugen. Und auch ihre Kollegen, allen voran George Petean als Renato sowie Marie-Nicole Lemieux als Ulrica und Liudmyla Monastyrska als Amelia, erfreuten das Münchner Publikum mit herausragenden Leistungen. Die aktuelle Vorstellungsserie ist weitgehend ausverkauft und zeigt, wie sehr die Menschen die Kraft der Musik brauchen und sich danach sehnen. Es ist auch als Zuschauer/in wunderbar zu erleben, wenn sich der Innenraum der Oper füllt, Spannung in der Luft liegt und auf der Bühne Magie entsteht, die Herz und Seele erfüllt.

(C) Wilfried Hösl / Bayerische Staatsoper


           Einige Gedanken zum Regiekonzept

Das Thema Regie muss auch in dieser Inszenierung von Johannes Erath aus dem Jahre 2016 zur Sprache kommen. Die Geschichte von Verdis "Maskenball" bietet eine Menge Erzähl- und Gestaltungsmöglichkeiten für jeden Regisseur und - wenn man die Gelegenheit nutzt - den Sängern auf der Bühne ebenso, und zwar nicht nur durch die wunderschöne Musik, sondern auch den dramatischen Inhalt und die beschriebenen Geschehnisse in diesem Meisterwerk. Bedauerlicherweise ist dem deutschen Regisseur Johannes Erath wenig dazu eingefallen, und so gibt die gesamten drei Akte über ein einziges Bühnenbild anzusehen, ganz gleich, was gerade gemäß Libretto passiert. Das hat wohl ziemlich sicher zur Folge, dass die Zuschauer, die mit dem Inhalt dieser Oper wenig vertraut sind, irgendwann auf verlorenem Posten stehen und keinen Überblick mehr darüber haben, was denn gerade auf der Bühne geschieht. Fairerweise muss man aber sagen, dass die Inszenierung zumindest die Kraft der Musik nicht zerstört, selbst sie auch nicht wirklich sehr viel zu diesem Werk beiträgt. Ein Boden im Schachbrettmuster, ein Bett, das an der Decke gespiegelt wird, eine hinaufführende sowie eine in die Katakomben führende Wendeltreppe, sich im Winde wiegende Vorhänge, einige Licht- und Videokonstellationen. Da wäre sicher mehr Raum für Gestaltung drin gewesen, zumal dem Regisseur großartige Sänger, wie zum Beispiel George Petean, Charles Castronovo oder Marie-Nicole Lemieux zur Verfügung standen, die ihr ganzes darstellerisches Können ganz anders zum Ausdruck hätten bringen können, aber somit leider immer wieder zum Rampensingen verdammt wurden. Insgesamt gibt es für diese Neuinszenierung aus dem Jahre 2016 von mir die Note "befriedigend" mit einem Plus.

(C) Wilfried Hösl / Bayerische Staatsoper


     Ensemble, Chor, Orchester und Dirigent

Wir können von Glück sagen, dass wir in München nicht nur über ein fantastisches und wiederholt mit Auszeichnungen bedachtes Orchester verfügen, sondern auch über einen großartigen Chor, der jede Vorstellung mit großer Leidenschaft bestreitet. Und auch das Ensemble der Bayerischen Staatsoper sowie die jungen Stars des Opernstudios tragen dazu bei, dass sich das Niveau auf einem konstant hohen Level hält und jeden Besuch zu einem unvergesslichen Vergnügen macht. So bekommen außerdem auch viele junge hochtalentierte Sänger die Gelegenheit, sich auf der großen Bühne des Münchner Nationaltheaters zu beweisen und von ihren erfahrenen Kollegen und den bewährten Stars der Opernszene zu lernen. Das Bayerische Staatsorchester gehört zu einem der weltweit besten Orchester, nicht nur in Bezug auf die Oper, sondern auch auf das Konzertrepertoire. Am Pult der Vorstellungsserie von "Un ballo in maschera" stand zum ersten Mal Ivan Repušić, der ja bereits seit sechs Jahren das Münchner Rundfunkorchester leitet und gerade erst seinen Vertrag verlängert hat. Er hat sein Hausdebüt ebenfalls mit Bravour gemeistert und führte Orchester, Chor, Ensemble und Solisten sicher und mit viel Gespür für die Sänger durch die Abende. Es lohnt sich unbedingt, auch einmal die Konzerte und konzertanten Opernaufführungen mit Ivan Repušić im Prinzregententheater zu besuchen. Das vielseitige Programm ist auf der Website des Münchner Rundfunkorchesters zu finden. Viel Freude beim Entdecken und Erleben!

(C) Wilfried Hösl / Bayerische Staatsoper


Liudmyla Monastyrska, Marie-Nicole Lemieux, Mirjam Mesak - Frauenpower auf der Opernbühne

Es gibt in Verdis Oper zwei weibliche Hauptrollen: Amelia, Riccardos große und heimliche Liebe und Ehefrau seines besten Freundes Renato, sowie Ulrica, eine Wahrsagerin, geheimnisvoll und geächtet, die den Menschen einen Spiegel vorhält und sie damit konfrontiert, dass es kein Entrinnen vor ihrem vorherbestimmten Schicksal gibt und sie dieses nur in Demut annehmen können.

Dann ist da noch die Partie des Oscar, des Pagen von Graf Riccardo, der aktuell von Mirjam Mesak verkörpert wird, die - wie schon erwähnt - ihr internationales Rollendebüt gibt.

Die junge Estin, die zunächst für zwei Jahre im Opernstudio der Bayerischen Staatsoper war und nun in ihrer dritten Saison im Ensemble singt, ist mit einem bemerkenswerten Talent gesegnet und verfügt über eine Sopranstimme, die schon fast wieder herausgewachsen scheint für Rollen, wie Oscar, Tebaldo oder Cherubino. Mühelos erklimmt sie die Höhen, als wäre es ein Leichtes, und strahlend  und makellos erklingen die Töne, die ihrer Kehle entweichen und den Raum des Opernhauses bis in den letzten Winkel. erfüllen.

Und als wäre das noch nicht genug, besitzt die junge Sängerin auch noch ein großes darstellerisches Talent und eine enorme Bühnenpräsenz. Dass die 32-Jährige zudem bildhübsch und intelligent ist, macht sie zu einem Gesamtpaket, das man nicht allzu oft in der Opernwelt finden dürfte. Mirjam Mesak hat eine große Karriere vor sich, von ihr werden wir in der Zukunft sicher noch viel hören und sehen.

Marie-Nicole Lemieux in der Rolle der Ulrica, ist ein großes Geschenk und bringt dem Zuschauer viele unvergessliche schöne Momente. Ihre Stimme füllt den Raum, ihr Mezzo ist kraftvoll, ausdrucksstark und warm. Die Rolle gestaltet die kanadische Opernsängerin mit viel Einfühlungsvermögen und gibt der Wahrsagerin Ulrica eine besondere Tiefe und Vielschichtigkeit, die ihre Darstellung besonders authentisch macht. Betritt sie die Bühne, sind alle Augen auf sie gerichtet, und man ist gefangen von ihrer Ausstrahlung. An der Bühnentür nach der ersten Vorstellung zog die Mezzosopranistin mit einem Augenzwinkern hinsichtlich ihres Kostümes und der gesamten Aufmachung den Vergleich zu Anita Ekberg heran. Die sympathische Künstlerin verfügt definitiv auch über eine Menge Humor und Selbstironie.

Die zweite große weibliche Hauptpartie, die Rolle der Amelia, wird im November 2022 von der russischen Sopranistin Liudmyla Monastyrska verkörpert. Die Stimme der 47-jährigen Opernsängerin war insbesondere in den ersten zwei Vorstellungen recht laut und das Vibrato sehr ausgeprägt, was den Klang nicht immer angenehm machte. Mit der dritten Vorstellung am 12. November war dann eine positive Veränderung festzustellen. Die Stimme wirkte differenzierter in der Gestaltung, war weniger laut und das Vibrato deutlich zurückgenommen. Zartheit und Zerbrechlichkeit gewannen mehr Raum.

Der schönste Moment ist gewiss Amelias Arie im zweiten Akt, in der sie ihren Mann bittet, den gemeinsamen Sohn ein letztes Mal sehen zu dürfen, bevor sie sterben soll. Eine berührende Gesangsleistung und Darstellung, die ihr mit Recht den verdienten Zwischenapplaus einbrachten. Schauspielerisch ist noch Luft nach oben im Vergleich zu ihren Kollegen.

(C) Wilfried Hösl / Bayerische Staatsoper


              George Petean ist Renato

George Petean gehört neben Ludovic Tézier, Luca Salsi und Željko Lučić zu den derzeit besten und erfolgreichsten Verdi-Baritonen weltweit. Ausstrahlung, Bühnenpräsenz und natürlich diese unglaublich warme, angenehme und ausdrucksstarke Stimme, in deren wunderschönem Klang man am liebsten baden würde, machen den sympathischen Sänger zu einem außergewähnlichen, tiefgründigen und authentischen Darsteller auf der Opernbühne. An der Bayerischen Staatsoper verkörpert George Petean nun ein weiteres Mal die Partie des Renato in Guiseppe Verdis "Un ballo in maschera" und lässt den Zuschauer die starken Emotionen seiner Figur hautnah und intensiv erleben, die sie antreiben. Wut, Hass Eifersucht, enttäuschte Liebe wechseln sich ab in Renatos Gefühlswelt und Erleben. Die Opernbesucher im Münchner Nationaltheater erlebten eine Achterbahnfahrt und die Wandlung vom liebenden Ehemann, Vater und treuen Freund zu einem Menschen, der aus Eifersucht zum Mörder wird. Der 47-jährige Opernsänger verfügt einerseits über Kraft und Ausdauer in der Stimme, die ihm ein atemberaubendes Forte erlauben, andererseits über eine berührende Zartheit in den zerbrechlichen Momenten, die seinen Figuren widerfahren. Die Textverständlichkeit ist exzellent und machen es überflüssig, die Übertitel mitzulesen. Der rumänische Bariton gehört zu den sogenannten Sängerdarstellern, verschreibt sich ganz dem Charakter, den er verkörpert und ist in der Lage, eine große Dichte und Vielschichtigkeit zu erzeugen, indem er seine ausdrucksstarke Stimme mit großem schauspielerischen Können verbindet und seinen Bühnenfiguren jedes Mal eine Komplexität und Vielfalt verleiht, die den Zuschauer gefangen nehmen, in eine andere Welt entführen und fesseln, bis die letzte Note verklungen ist.

(C) Wilfried Hösl / Bayerische Staatsoper


          Charles Castronovo ist Riccardo

Der zweite Debütant in der Vorstellungsserie von "Un ballo in maschera" an der Bayerischen Staatsoper ist der amerikanische Tenor mit den italienisch-südamerikanischen Wurzeln Charles Castronovo. Im Münchner Nationaltheater hat der 47-jährige Opernsänger, der seit einigen Jahren mit seiner Familie in Berlin lebt, bereits zahlreiche Rollen verkörpert und Debüts gegeben. Nach dem Pinkerton in Puccinis "Madama Butterfly" im Mai dieses Jahres folgt nun also der Riccardo in Verdis Meisterwerk, der laut eigener Aussage des Sängers zu den Traumrollen gehört, die schon seit sehr langer Zeit auf seiner Wunschliste stehen. Und das Debüt ist ihm mit Bravour gelungen. Der offene und sympathische Künstler verfügt über eine ausgesprochen flexible und wandelbare Stimme und hat doch einen unverkennbaren Klang, die es ermöglicht, sie aus tausend Stimmen herauszuhören und wiederzuerkennen.

Der Klang ist warm, das Timbre eher dunkel gefärbt, in den tieferen Passagen gibt es die notwendige Substanz, die Höhen sind strahlend. Die Ausbrüche im Forte sind kraftvoll, die Piani und Pianissimi zart und zerbrechlich und vermögen den Zuschauer tief zu brühren. All das bietet dem amerikanischen Tenor große Ausdrucks- und Gestaltungsmöglichkeiten, mit denen er die ganze Bandbreite der menschlichen Gefühle ehrlich und unverstellt vermittelt. Auch Charles Castronovo verfügt über eine makellose Diktion, die es dem Opernbesucher erlaubt, sich ganz auf das Bühnengeschehen zu konzentrieren und die Magie der Oper hautnah zu erfahren. Seine Charaktere werden auf der Bühne eins mit ihm, mit Leben gefüllt, und so schafft er eine besonders starke und intensive Verbindung zum Publikum. Der Opernsänger ist ein gedankenvoller und intelligenter Gestalter und gehört somit zu den besonders gefragten Künstlern in der Opernwelt. All das war nun auch bei seinem internationalen Rollendebüt als Riccardo an der Bayerischen Staatsoper zu erleben.

Der Graf, der die Frau seines besten Freundes Renato liebt, schlägt überheblich alle Warnungen der Wahrsagerin Ulrica in den Wind, macht sich über ihre Vorhersagen lustig und muss am Ende erkennen, dass seine Beziehung zu Amelia keine Zukunft hat. Dass er seine unerfüllte Liebe trotzdem mit dem Leben bezahlen muss, sieht Riccardo nicht kommen.

(C) Wilfried Hösl / Bayerische Staatsoper


                 Abschließende Worte

Nach drei Vorstellungen darf man allen Beteiligten zu ihren großartigen Leistungen gratulieren und nimmt als Zuschauer zahlreiche unvergessliche und wunderschöne Erinnerungen mit in den Alltag. Es gibt sie noch, die Magie des Augenblicks und die Kraft der Musik, die uns durchdringen, wenn wir an solchen Abenden das Opernhaus verlassen, um den Heimweg anzutreten oder noch ein wenig Zeit mit den liebsten Menschen in unserem Leben zu verbringen. All diese wunderbaren Momente sind ein Geschenk und ein großes Glück. Jedes Mal, wenn mir dieses Glück widerfährt, sende ich meinen Dank an das liebe Universum und hoffe auf weitere magische und unvergessliche Augenblicke ...

Ein kleines Aber gibt es bedauerlicherweise: Der Applaus war nicht einmal annähernd so gewaltig, wie es diese wunderbaren Künstler, Sänger und Musiker verdient hätten. So verneige ich mich ganz persönlich vor ihrer Leistung und sage danke und bis hoffentlich bald.

(C) Wilfried Hösl / Bayerische Staatsoper


 Und wenn der Sorgen Last die Seele drückt,

    erhebt Musik sie wieder und entzückt.

 

                       (Alexander Pope)