Handlung und Gedanken zu Beethoven´s Fidelio

          (C) Bill Cooper / Royal Opera House


Nachdem es im ersten Teil der Einführung in erster Linie um die komplizierte Entstehungsgeschichte von Beethovens einziger Oper ging, möchte ich mich nun ein wenig intensiver der Handlung widmen. Der  bekannte Opera Guide ist ja bereits ein Begriff, genau wie Wikipedia. Beide Websites bieten einen guten Überblick über die Handlung einer Oper und so kann ich ohne große Erklärungen gleich mit meinen Ausführungen beginnen. Im Mittelpunkt steht Leonore, die sich als Mann verkleidet und sich unter dem Namen Fidelio auf die Suche nach ihrem verschollenen Ehemann macht. Dieser ist seit nunmehr zwei Jahren wie vom Erdboden verschwunden. Seine mutige Frau hat mittlerweile eine Spur entdeckt und vermutet, dass Florestan den Machenschaften des Gouverneurs Don Pizarro zum Opfer gefallen ist. Und sie liegt richtig. Florestan war im Begriff, die Machenschaften von Don Pizarro ans

Licht zu bringen und wurde deshalb von ihm gefangengenommen und eingesperrt. Jetzt sitzt Leonores geliebter Mann seit zwei Jahren im Kerker. Und nicht nur das; der Gouverneur hält ihn in einer qualvollen Isolationshaft. Einzig der Kerkermeister Rocco hat Zugang zum Gefangenen, musste ihm aber die letzten Wochen immer mehr die Brot- und Wasserrationen verkleinern. Nun hat Florestan seit einer Woche gar nichts mehr zu essen erhalten. Er ist am Rande der totalen Erschöpfung und dem Tode näher als dem Leben. Aber Rettung naht in Person seiner liebenden Gattin Leonore.

Leonore hat es zwischenzeitlich geschafft, Zugang zum Haus von Kerkermeister Rocco zu finden. Sie hofft auf diesem Wege, mehr über den Zustand und den Ort ihres inhaftierten Ehemannes zu erfahren. Um die Angelegenheit noch komplizierter zu machen, hat sich die Tochter von Kerkermeister Rocco in Fidelio/Leonore verliebt und hofft auf eine gemeinsame Zukunft. Leonore spielt das Spiel zum Schein mit, und Rocco gibt seinen Segen für die Beiden. Auch der Gouverneur fällt auf die Täuschung herein, er hat ohnehin nur eines im Kopf:den raschen und unauffälligen Tod  seines Gefangenen. Es hat sich nämlich der Minister Don Fernando angekündigt, der von Pizarros Willkürakten gehört hat und nun beabsichtigt ,sich selbst ein Bild davon zu machen und das Gefängnis zu besuchen. Dass auch der von ihm geschätzte Florestan dort festgesetzt ist, ahnt er allerdings nicht. So nehmen die Dinge ihren Lauf. Fidelio/Leonore macht sich, innerlich aufgwühlt, mit Kerkermeister Rocco auf den Weg in die Tiefen des Verlieses, wo sie nach einigen Andeutungen ihren verschollenen Ehemann glaubt. Das Eheversprechen zwischen ihr und Roccos Tochter Marzelline ist sie erst einmal zum Schein eingegangen. Diese wird übrigens begehrt vom Pförtner Jaquino, der sie für sich einzunehmen versucht. Er ist ohne Chance gegen Fidelio.

Unterdessen wird der vollkommen erschöpfte Florestan von Fieberfantasien geplagt. Tief unten im dunklen Kerker angekettet beklagt er sein Schicksal. Nur sein Glaube, seine festen Überzeugungen, sich für die richtige Sache einzusetzen(...."Wahrheit wagt ich kühn zu sagen....") und die bedingungslose Liebe zu seiner Frau halten ihn noch am Leben. Robert Maschka schreibt in seinem Buch Beethoven

Fidelio dazu:"In einem unterirdischen dunklen Keller beklagt der an die Mauern gekettete Florestan, von der Haft gezeichnet, sein Schicksal. Ohne sein Gottvertrauen und die Gewissheit, sein Dasein als ein Märtyrer der Wahrheit zu fristen, wäre er längst ein gebrochener Mann. Vor allem aber der Gedanke an Leonore vermag ihm in seiner hoffnungslosen Lage Trost zu spenden: Als ein zu himmlischer Freiheit geleitender Engel tritt sie ihm vor sein Auge, bevor er erschöpft zusammensinkt."

"Gott! Welch Dunkel hier!"  : Dunkelheit und Kälte wo ich nur schaue.

                                                  Hunger, Durst und die sich immer wiederholenden Folterqualen,

                                                  haben meinen Körper an den Rand der Erschöpfung gebracht.

                                                 Mein Geist ist gebrochen, meine Seele schwer verletzt,

                                                 übersät von den Wunden meiner Qualen.

                                                 Mein Herz schlägt kaum noch.

                                                Jede Stunde, jede Minute wird zu einer unerträglichen Tortur

                                                Ich bin so müde, will einfach nur schlafen und die Schmerzen

                                               und alles Leid vergessen.

                                               Herr schenke mir die ewige Ruhe.

                                               Leonore, mein geliebter Engel, komm zu mir, 

                                               und geleite mich hinüber in eine bessere Welt.

                                               Dort wird meine Seele endlich frei sein.  ((C) Hannah Klug)

Mittlerweile sind Leonore und Rocco hinabgestiegen in den Kerker. Sie finden den schlafenden Florestan vor, in dem die mutige Frau ihren verschollen geglaubten Mann noch nicht erkennen kann. Für sie ist nur eines klar: sie muss und wird diesen erbarmungswürdigen Gefangenen vor dem sicheren Tod bewahren und ihn aus seiner Haft befreien. Erst als Florestan erwacht, wird die Ahnung zur Gewissheit: der arme Mann dort unten im Verlies ist ihr geliebter Mann. Leonore ist gleichermaßen erleichtert und entsetzt über diese

Tatsache. Nach einer Dikussion mit Rocco erlaubt dieser ihr dem ausgehungerten Florestan nicht nur Wasser zu geben, sondern auch ein Stück Brot, das sie bei sich trägt. Ihr Mann hat sie immer noch nicht erkannt. Nach zwei Jahren Isolationshaft kann er kaum noch zwischen Realität und Fantasie unterscheiden. Vermutlich hat auch nach so langer Zeit in Dunkelheit sein Augenlicht stark gelitten.

Erst als Pizarro im Verlies auftaucht, um den wehrlosen Gefangenen mit eignener Hand zu töten, ergibt sich Leonore für Alle zu erkennen und rettet dem lebensmüden Florestan sein Leben. Erst jetzt erkennt auch dieser die Stimme seiner Frau, ist aber zunächst mit dieser Situationüberfordert Jetzt betritt auch der Minister den düsteren Ort und erfährt von den erlittenen Qualen seines Freundes. Er lässt Pizarro gefangennehmen und fordert Leonore auf, ihrem Mann die Ketten abzunehmen. Am Ende wird das Paar gefeiert , die Liebe und Leonores Mut bejubelt. Freiheit und Gerechtigkeit haben gesiegt....Wirklich????

                                                               "Wenn Freiheit eine Utopie ist"

Wer glaubt, dass es sich bei der Oper Fidelio um ein Stück fernab der Realität handelt, der irrt gewaltig. Auch heute ist der Inhalt von Fidelio und sein im Mittelunkt stehender Gedanke von Freiheit immer noch aktuell. Täglich werden auf unserer Welt Menschen, die für ihre Überzeugungen einstehen und für ihre Rechte kämpfen, ohne Prozess inhaftiert, gefoltert und getötet. Körperliche und seelische Folter, Hunger, Durst, Isolationshaft und die tägliche Angst bestimmen ihren Alltag. Die Angehörigen wissen oft nicht, ob sie ihre geliebten Menschen jemals wiedersehen oder ob sie überhaupt noch am Leben sind. Keiner von uns musste diese Qualen hoffentlich

jemals erleben. Und trotzdem ist es die Realität für so viele Menschen und keine gruselige Geschichte ohne Hintergrund. Seine Meinung frei zu äußern ist auch heute auf der Welt noch lange nicht überall ein Grundrecht.

Es ist also die Frage, ob ein solches Ende wie in Beethovens einziger Oper Fidelio als realistischzu betrachten ist und ob es für das gefeierte Paar Leonore und Florestan tatsächlich ein Happyend gibt. War das Trauma für Florestan am Ende nicht zu groß? Gibt es wirklich eine Rückkehr in den Alltag? Sind Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit doch am Ende nur eine Utopie? Die Frage betrifft die Handlung sowohl in der Oper genauso wie die Realität in unserer immer brutaler und erbarmungloser werdenden Welt...

NEIN! Ich glaube ganz fest daran, dass unsere Werte am Ende siegen werden und dass ein Leben in Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit möglich ist. Diese Hoffnung dürfen wir niemals aufgeben! Und ich glaube an die Kraft der Liebe, für die Leonore und ihr Handeln stehen.

Mutig stellt sie sich einem Gegner, der auf den ersten Blick unbesiegbar ist und kämpft unbeirrbar für ihr Glück, ihre Überzeugungen und Gerechtigkeit. Sie ist bereit, dafür ungewöhnliche Wege zu gehen und sie ist bereit, einen Menschen zu retten, den sie wohlmöglich gar nicht kennt, der aber dringend ihrer Hilfe bedarf. Ihr Mut und ihre Stärke werden am Ende belohnt.